Interview mit Achim Purwin

Die Grundlage des folgenden Interviews bildete ein eher lockeres Gespräch, das ich am 30. September 2004 mit Achim Purwin in Berlin führte und das von ihm dankenswerterweise im Dezember 2005 ausführlich redigiert, korrigiert und erheblich ergänzt wurde. Die begleitenden Bilder stammen aus seiner Tätigkeit bei der S+T.

(1) Beruflicher Werdegang

Selbstporträt 1984 Wie kamen Sie zur "Sport und Technik"?

Ich stamme aus Frankfurt/Oder, bin Jahrgang 1944, machte hier mein Abitur und bastelte in der Freizeit im Rahmen der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) Flugmodelle, wurde Segelflieger. Und wollte logischerweise mal Pilot werden. Als ich noch Kind war, wurde die Ehe meiner Eltern geschieden und mein Vater verschwand in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Das hieß für meine weitere Entwicklung in der DDR ziemlich schlechte Karten mit so einer "Westverwandschaft 1. Grades"; ich galt stets als potentieller "Republikflüchtling". Um Pilot zu werden, hatte ich mich - so die Bedingungen - für drei Jahre zur Armee verpflichtet, kam auch bis nach Königsbrück bei Dresden zur medizinischen Pilotenuntersuchung für die Luftstreitkräfte - dann aber kam durch die Kaderkommission ein "aus"! Aber Armee-Verpflichtung blieb Verpflichtung: Ich diente drei Jahre im berühmt-berüchtigten 'Kiefern, Sand, und -gar nichts- Meer' in der Gegend von Pasewalk als Kraftfahrer bei einer Transportkompanie.

Musste mich nun aber beruflich anders orientieren: Weil ich als Kind schon gern gezeichnet hatte, wollte ich nun zum Trickfilm. Zwar gab es in der DDR an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden einen Studiengang Trickfilm, der allerdings nur alle zwei Jahre Studenten aufnahm, denn es gab ja auch nur - soweit ich weiß - ein Trickfilmstudio im Lande. Ich hatte mal wieder Pech: Zur Zeit meiner Bewerbung wurden keine Studenten angenommen. Was nun?

Kurz vor Ende meiner Armee-Zeit kamen Offiziere vom Ministerium des Innern und warben für eine Karriere bei der Volkspolizei, Kriminalpolizei oder Transportpolizei. Kripo wäre nicht schlecht, dachte ich, denn man hatte ja schon ein paar heitere Kriminalfilme gesehen. Außerdem wollte ich nicht in das langweilige Frankfurt/Oder zurück, sondern unbedingt in die große Welt, ins Zentrum - nach Berlin. Und damals konnte man nur über einen solchen Weg, nämlich über eine Verpflichtung bei der Polizei, der Staatssicherheit oder durch Heirat nach Berlin kommen. Na ja - Staatssicherheit, da wusste ich als Kleinstadt-Ei damals noch gar nicht, was das war. Heirat war auch nicht aktuell, aber Kripo gefiel mir, und also kam ich als junger Kriminalanwärter zur Kriminalpolizei nach Berlin. Ich roch ein bisschen rein, dann hätte die nächste Weiterbildung angestanden. Nun hätte ich ja gern Kriminalistik an der Humboldt-Universität studiert, aber das passte den Kaderchefs nicht, die brauchten Offiziere für die mittlere Laufbahn. Das hieße: Drei Jahre Ausbildung nach Aschersleben an die Fachschule für Kriminalistik. Nun hatte ich ja schon drei Jahre bei der Armee in einer Kaserne gehockt und fand Aschersleben nicht gerade verlockend. Und kündigte nach gut anderthalb Jahren. Was aber auch hieß: Wieder raus aus Berlin!

Karikatur 1984 Man konnte nicht einfach nach Berlin ziehen?

Um Gottes Willen nein! Noch Mitte der sechziger Jahre musste man in der 'berühmten' Zuzugsstelle des Magistrats -ich glaube, sie befand sich in der Rückerstraße - zwecks Berlin-Aufenthalt vorstellig werden. Und einen solchen, einen Schein mit Stempel und rotem Balken, bekam man nur, wenn man eine Arbeit in Berlin hatte, und Arbeit bekam man nur, wenn man eine Wohnung hatte, und eine Wohnung bekam man nur, wenn man Arbeit hatte... Das Ganze war grotesk, dass eben nur der Weg - wie oben erwähnt - über Polizei, Stasi oder Heirat (darum gab es allerhand Scheinehen, aber ich kannte keine solche Dame!) damals nach Berlin führte.

Ich habe allerdings einen etwas verrückten Dichter kennengelernt, der Kabarett-Programme geschrieben hat, und dessen Kumpel wiederum war ein Chef bei der Nationalen Front in Berlin, der auch diverse Programme schrieb. Der hat gesagt, du arbeitest bei mir und dann machen wir das mit der Wohnung und der Berlin-Genehmigung. So war ich plötzlich politischer Mitarbeiter der Nationalen Front, hatte ein riesiges Büro, einen riesigen Schreibtisch und keine Ahnung, was ich machen sollte. Die Nationale Front war so eine Art 'demokratischer' Dachverband aller Parteien, durch den die SED versuchte, Einfluss auf alle Bevölkerungsschichten zu kriegen. Für mich war erst mal wichtig: Ich bekam den Berlin-Aufenthaltsschein, konnte mir damit nun auch eine Wohnung organisieren und war glücklich, in Berlin 'angekommen' zu sein.

Und kam doch noch an die Humboldt-Universität: Ich nahm ein fünfjähriges Fernstudium für Kulturwissenschaft/Philosophie und Bildende Kunst auf. Und hatte bereits Leute kennen gelernt, die bei der GST-Presse waren. So blieb man im Gespräch, bei einer Zeitschrift sah ich mich auch besser aufgehoben als bei der Nationalen Front, und so kam ich auch noch zu meiner alten Gesellschaft für Sport und Technik wieder zurück, allerdings nun bei der GST-Presse, konkret bei dem Jugendmagazin "Sport und Technik".

In welchen Jahr war das?

Das war exakt am 1.12.1971. Da ich noch Kulturwissenschaften studierte, wurde ich als Kulturredakteur eingestellt. Und zeichnete fleißig weiter. Ich belieferte dann fast die gesamte GST-Presse mit Vignetten und Karikaturen. Neben der "Sport und Technik" gab es ja auch noch eine Taucherzeitschrift, eine Fliegerzeitschrift, eine Seesport-Zeitschrift u.a.

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